Grenzdurchgangslager Friedland
Das Grenzdurchgangslager Friedland wurde im September 1945 auf Anordnung der britischen Besatzungsmacht zur Durchschleusung und ersten Betreuung von Evakuierten und Flüchtlingen eingerichtet.Friedland wurde gewählt, weil es an der Schnittstelle der britischen-, amerikanischen- und sowjetischen Besatzungszone lag.
In der Folgezeit wurden neben den heimkehrenden Kriegsgefangenen die unterschiedlichsten Flüchtlingsgruppen aufgenommen. Das Grenzdurchgangslager Friedland hat sich in diesen Jahren den Namen "Tor zur Freiheit" erworben. 2005 konnte das 60 jährige Bestehen im Beisein des Bundespräsidenten Horst Köhler und des Niedersächsischen Ministerpräsidenten gewürdigt werden.
Die Flüchtlinge im Lager Friedland werden von der Friedlandglocke begrüßt.
Inhaltsverzeichnis
Sie sind da: Erste Irak-Flüchtlinge in Friedland
Die ersten 122 Flüchtlinge aus dem Irak sind im Grenzdurchgangslager Friedland angekommen. 2500 sollen es insgesamt werden. Menschen, die ihre Heimat Irak verlassen mussten, weil sie zwischen die Fronten von al-Quaida, schiitischen Mahdi-Milizen und die Wirren des amerikanischen Anriffs geraten waren und die seit Jahren in Lagern lebten.
Die kleinen Neffen und Nichten winken, Mutter und Schwester weinen, die Tante ist überglücklich. Nur die Scheiben des Busses trennen die Familie Abdalah Nafea noch von einander. In diesem Augenblick, es ist 18.45 Uhr, klingelt das Handy von Mohanad Abdalah Nafea. Der 34-Jährige, der als irakischer Asylant seit zweieinhalb Jahren in Konstanz lebt, weil er sich allein nach Deutschland durchgeschlagen hat, geht ran. Ein Anruf aus Damaskus, Verwandte aus dem Lager, das der größte Teil der Familie am Morgen verlassen durfte, um nach Deutschland zu fliegen. Live hören die Verwandten in tausenden Kilometern Entfernung das Wiedersehen der Familie in Friedland mit.
Bewegende Momente
Es waren bewegende Momente, als die Menschen in drei Bussen des Technischen Hilfswerkes ins Lager rollten. Ein Spalier aus Spätaussiedlern und Journalisten, in Deutschland lebenden Landsleuten und Blumen schwenkenden Mitgliedern der Gesellschaft für bedrohte Völker erwartete sie. Klatschen, Winken, Blumengrüße, vielfach Tränen. Friedland hat seinem Namen „Tor zur Freiheit“ erneut belegt.
Ein neues Leben in Sicherheit wird für die Iraker, meist Christen und Folteropfer, die in Jordanien oder Syrien in Lagern oder Kellern lebten und die ohne jede Perspektive waren, in ihre Heimat zurückkehren zu können, nun beginnen. Für zwei Wochen werden sie hier leben, um die Aufnahmeformalitäten zu erledigen. Dann werden sie auf die Bundesländer verteilt. Drei Länder (Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen) werden ihrem Kontingent an Flüchtlingen anbieten, einen dreimonatigen Integrationskurs in Friedland zu besuchen. Die kirchlichen Hilfsorganisationen werden die Flüchtlinge, die in Friedland erst einmal zur Ruhe kommen müssen, betreuen. „Es sind erst einmal Flüchtlinge“, sagt Pastor Martin Steinberg, „aber auch Angehörige der ältesten christlichen Kirche der Welt.“ Am Mittwoch hatte bereits der Erzbischof der syrisch-orthodoxen Kirche Deutschlands, Mor Julius Hanna Aydin, das Lager besucht. Am Montag, 18 Uhr, wird in der katholischen Kirche der erste Gottesdienst sein.
Das Grenzdurchgangslager, das seit 1945 schon mehr als vier Millionen Menschen aufnahm, ist vorbereitet. Dolmetscher stehen zur Verfügung, die Küche stellt das Essen auf mehr Reis- und Hammelfleischgrichte um, die Kirchen bieten religiöse Betreuung. Für die Kinder wird Unterricht geboten, nachmittags wird gemeinsam mit Spätaussiedlern Sport getrieben. Friedland integriert – so war es immer
GT, 19.03.2009
Trelle im Lager Friedland
Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle hat das Grenzdurchgangslager Friedland besucht und dort den Kontakt zu den überwiegend christlichen Flüchtlingen aus dem Irak gesucht. „Wir schauen mit ihnen in eine leidvolle Vergangenheit im Irak“, sagte Trelle während einer Andacht in der katholischen Kirche St. Norbert. Diese Vergangenheit habe aus Verfolgung, Not, Terror und tausendfachem Tod bestanden.
Nach diesem Leid solle nun ein Neuanfang in der Begegnung stehen und die Hoffnung auf ein zukünftiges Leben in Freiheit. Die entscheidende Aufgabe bei der Aufnahme der Flüchtlinge stehe jedoch noch bevor, so Trelle, nämlich eine Zusammengehörigkeit zu finden, Fremdheit zu überwinden und Nähe zu gestalten. Es gelte, den anderen in seiner Besonderheit und seinem kulturellen Profil wertzuschätzen und anzunehmen: „Sie sind uns von Herzen willkommen“, so der Bischof des Bistums Hildesheim.
Trelle rief alle ehrenamtliche engagierte Christen auf, aktiv auf irakische Flüchtlinge zuzugehen, die in die Kirchengemeinden kommen. Es sei eine zutiefst christliche Aufgabe, Fremde willkommen zu heißen und eine gemeinsame Lebens- und Glaubensgemeinschaft zu gestalten. Passend dazu ging es in der Andacht um die Frage, wer die wahren Verwandten Jesu sind – nämlich diejenigen, die über alle festgefahrenen Grenzen des Alltags hinweg als Christen eine neue Einheit bilden. Am Ende applaudierten die irakischen Christen den Worten Trelles, die vom armenisch-orthodoxen Diakon Hacub Sahinian übersetzt wurden. Anschließend ging es nach dem seelischen Wohl auch um das leibliche: Im Caritas-Gebäude gab es Weißkohleintopf mit Rindfleisch und Brot.
Die Bundesregierung hat im Rahmen einer europäischen Initiative entschieden, 2500 irakische Flüchtlinge aufzunehmen. Mittlerweile seien fast 2000 der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgewählten Personen in Deutschland eingetroffen und vor ihrer Verteilung auf die Bundesländer im Grenzdurchgangslager betreut worden, so Thomas Heek, Leiter der Caritasstelle.
Jörn Barke, Göttinger Tageblatt, 2. November 2009