Junges Theater
Göttingen
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Junges Theater. Außenansicht im Februar 2005
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Das Junge Theater ist eine Bühne in Göttingen. Es wird von Stadt und Landkreis Göttingen mitfinanziert. 28 Mitarbeiter sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Die neun Schauspieler im Ensemble feiern pro Spielzeit etwa mit zwölf neuen Stücke Premiere.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Überblick
1957 wurde das Junge Theater von Hans-Günther Klein als kleines Zimmertheater gegründet und spielte am 4. November 1957 vor ausverkauftem Haus - mit 44 Zuschauern - als erste Premiere den Urfaust. 1960 zog das Theater in die Geismar Landstraße 19, in dem heute das Kino Lumière angesiedelt ist. 1976 zog das Theater in die Hospitalstraße. 2006 sahen sich 23.074 Besucher die Vorstellungen an. Bisher hatte das Junge Theater acht Intendanten.Evelyn Hamann und Bruno Ganz begannen hier ihre Karriere. Die französische Sängerin Barbara hatte hier ein Gastspiel.
- Quelle: www.junges-theater.de
"Zeitreise" im Göttinger Tageblatt
Eine Neueröffnung im Menschengedränge. Unkonventionelle Inszenierungen, der Brief eines verärgerten Zuschauers. Ein strahlender Theater-Leiter in Hamburg, verlegen lächelnde Theaterbesucher in Göttingen. Und Evelyn Hamanns Erinnerung an „Begeisterung und Einsatz aller Beteiligten“: Das Junge Theater in den 70er-Jahren. Eine aufregende Zeit.
48 Stunden im Theater
"Die beiden Jahre am Jungen Theater in Göttingen unter Scheffs Ägide (...) gehören zu meinen schönsten Zeiten am Theater.“ So sollte sich später Evelyn Hamann erinnern. Hans-Gunther Klein alias Scheff holte sie 1968 an sein Theater. Es waren Hamanns erste Bühnen-Engagements. Sie schreibt: „Von den 24 Stunden, die ein Tag hat, waren wir alle 48 Stunden im Theater, auch die Freizeit wurde im Theaterkeller verbracht.“
Hamann erinnert sich an „die Begeisterung und den Einsatz, mit dem alle Beteiligten für Scheffs Theater gearbeitet haben“.
Mit Ach und Krach
Und dieser Einsatz war wohl auch nötig in dem Theater, für das Klein 1957 mit der aufgekauften Konkursmasse des Zimmertheaters Tangente den Grundstein legte, mit 25 Jahren. „Mit Ach und Krach“ und „immer wieder aufs Neue“, wie das Göttinger Tageblatt 1970 schrieb, sollte das Junge Theater fortan die finanziellen Hürden nehmen.
Die Gagen der Schauspieler lagen unter dem Durchschnitt. „Das Mißverhältnis zwischen Erfolg, künstlerischer Anerkennung, Vereinnahmung für das Image der Stadt und finanzieller Unterstützung“: Das habe das JT von Anfang an begleitet, schrieb Carola Gottschalk (in: „Maxibauten – Miniröcke. Die Sechziger Jahre in Göttingen“, Städtisches Museum Göttingen.)
Wanderjahre
Die ersten Jahre verbrachten Klein und sein Team auf Wanderschaft. Denn schon 1958 wurde ihnen in der Weender Straße 11 gekündigt. Von da an probte die Gruppe im Tanzsaal des „Frankfurter Hofes“ und der „Bielefeld‘schen Schmiede“ in der Angerstraße. Man trat im Saal des Nansenhauses oder bei Gastspielen außerhalb Göttingens auf.
1960 dann das Ende der Odyssee: für 15 Jahre wurde das JT sesshaft in der Geismarlandstraße 19, dort, wo heute das Lumière Filme zeigt. JT-Intendant Andreas Döring erinnert sich „mit Grausen“ daran, dass man in diesem engen Raum einmal Theater gespielt hat. Die Schauspieler richteten weitgehend eigenhändig ihr Theater ein. Mit Improvisation von Garderobe, Büro und Foyer. Aber 1967 sollte das Haus verkauft werden. Der Verein der Freunde des Jungen Theaters unter Horst Wattenberg kaufte daraufhin das Gebäude.
Einstand in der Hospitalstraße
Zum Jahreswechsel 1975 / 1976 folgte dann der bis dato letzte Umzug. Im Januar 76 nahm das JT den Betrieb im Carl-Otfried-Müller-Haus in der Hospitalstraße 1 auf, als Teil des von der Stadt eingerichteten Kultur- und Aktionszentrums (KAZ).
Der Einstand wurde mit dem Jugendtheaterstück „Bravo, Girl“ gegeben, in dem jugendliche Laien mitwirkten. Seit der Premiere von „Tom Sawyer“ 1970 / 71 war die Kinder- und Jugendarbeit Teil des JTs. Zur Eröffnung schickten NDR und Radio Bremen Teams, so viele Besucher habe es in Göttingen „kaum je an einer Stelle zuvor gegeben“, meldete der Blick.
Im KAZ wurden nun auch andere Medien miteinbezogen. Es gab Filmvorführungen und Musikabende. Vor allem aber konnte das Junge Theater dank der räumlichen Möglichkeiten bei seinen Inszenierungen fortführen, was mit der Premiere von Peter Weiss‘ Drama „Marat / Sade“ unter der Regie von Achim Plato 1971 / 72 seinen Anfang genommen hatte: Die Durchbrechung der Trennung von Bühne und Zuschauerraum.
Ungewohntes Bild
Gerda Neumann schrieb über die Premiere für das Göttinger Tageblatt: „Schon beim Betreten des Foyers merkte der Besucher, daß hier Besonderes vorging. In Grüppchen ließ man die Zuschauer durch die Kellerräume wandern, die als Irrenanstalt im Stile des 18. Jahrhunderts ausgestattet waren. (...) Beim Eintritt in den Zuschauerraum bot sich ein ungewohntes Bild: Eine breite schräge Rampe führte von der Bühne nach unten. Die Sitzreihen waren an die Wände gedrängt worden. So ergab sich statt des Guckkastens eine Arena inmitten der Zuschauer. (...) Hin und wieder setzten sich einige Darsteller zwischen die Zuschauer und agierten dort weiter, was die verlegen lächelnden Gäste zu befremden schien.“
Der Literaturwissenschaftler Heinz Ludwig Arnold schrieb in der Frankfurter Rundschau: „Es gab einen Beifall, wie er in diesem Hause selten ist: mit Recht für diese Inszenierung“. Beim Gastspiel in Hamburg sollte eine dreißig Meter lange Schlange vor der Kasse stehen, wie Klein, laut Tageblatt „über das ganze Gesicht“ strahlend, später berichtete.
Unkonventionelle Wege
Mit der „Marat / Sade“-Inszenierung 71 / 72 ging das JT unkonventionelle Wege. Und darum war es ihm von Anfang an gegangen. Klein und seine Truppe spielten Beckett, als kaum jemand in Deutschland Beckett spielte. Sie gaben Stücke von Lenau, Sartre und Ionesco, als die Autoren „noch nicht durch das Etikett ‚moderne Klassik‘ geadelt waren“, wie der damalige Tageblatt-Kulturredakteur Hans-Christian Winters 1982 in den Göttinger Monatsblättern schrieb.
„Das JT stellte diese Autoren (...) konsequent zur Diskussion“, so Winters weiter. Denn das JT war gegründet worden „als geistige Herausforderung, als Beitrag zum Hinterfragen dessen was ist, was unsere Gesellschaft bedeutet, wohin die Reise geht“. So der frühere Hildesheimer Regierungspräsident Hans Kellner.
Noch weit verbreitetes Unverständnis
Nicht jedem gefiel der Ansatz. In der Fuldaer Volkszeitung ist über ein Gastspiel von Becketts „Warten auf Godot“ 1958 zu lesen: „In der Pause verließen nicht wenige (darunter auch der Rezensent) teils verärgert, teils amüsiert und kopfschüttelnd den Saal“. Carola Gottschalk dazu zusammenfassend: „Das Unverständnis dem absurden Theater gegenüber ist noch weit verbreitet“. Gottschalk an anderer Stelle: „Das Theater der Nachkriegszeit ist ein Theater der Klassiker, der alten Konzepte, der alten Männer“.
Schon allein deshalb bestand die Truppe, mit der Klein den künstlerischen Weg ausarbeitete, stets aus Nachwuchsdarstellern, -bühnenbildnern und -regisseuren, die unbekannt waren. (Unter ihnen waren neben Evelyn Hamann Bruno Ganz und Claus Peymann. Die französische Sängerin Barbara sang im JT ihr Chanson „Göttingen“.)
Verstärktes Interesse an politischen Fragen
Ende der 60er-Jahre begann das JT neben modernen Autoren verstärkt politische Stoffe aufzuführen: „Das Interesse an politischen Fragen und deren Verarbeitung auf der Bühne nahm zu, erweiterte das Spektrum und beeinflußte die Stückauswahl“, resümierte die damalige Dramaturgin Regina Leßner 1977.
Dazu passte es, sich auch innerbetrieblich von der hierarchischen Ordnung zu trennen. 1970 führte das JT einen Theaterrat ein, in dem Schauspieler und Mitarbeiter ein möglichst großes Mitspracherecht erhalten sollten. Eine überarbeitete Satzung trat 1975 in Kraft: Mit der Maßgabe, dass auch die neue Form nicht endgültig sei. Ein „Mitbestimmungsmodell, das ständig in der Diskussion bleibt“, sollte es sein, so Leßner.
Empörter Briefeschreiber
In der Diskussion blieben auch die Inszenierungen: 1973 noch sorgte die JT-Fassung von Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ für Wirbel. Eine „bisweilen haarsträubende Attacke gegen den Kult von Bayreuth“ war es laut dpa-Meldung wohl gewesen. Ein Besucher schrieb an das JT: „Ihr Schmierenkomödianten! Nicht Wagner, Euch selbst habt Ihr mit der schmutzigen Persiflage lächerlich gemacht. (...)Lernt erst einmal Lesen und Schreiben, und vor allem Wagners Musik richtig kennen und schätzen“.
Aber das JT hatte sich mittlerweile Respekt und Anerkennung erspielt, auch über Göttingens Grenzen hinaus. Und so wurde der „Fliegende Holländer“ trotz der Empörung des Briefeschreibers 1974 für den Südwestdeutschen Rundfunk aufgezeichnet.
- Quelle: Artikel von Telse Wenzel im Göttinger Tageblatt vom 26. Mai 2012.
Die Göttinger Zeitreise ist eine Geschichtswerkstatt des Tageblattes in Zusammenarbeit mit der Stadt Göttingen. Für den Artikel wurden Quellen aus dem Bestand des Stadtarchivs ausgewertet.
Insolvenz
Juli 2010
Das Junge Theater hatte am Freitag, 9. Juli 2010, Insolvenz angemeldet. Hintergrund war eine betriebsinterne Betrugsaffäre. Über Jahre hinweg wurden Gelder von einer Verwaltungsangestellten unterschlagen, daher ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Untreue. Der Schaden beträgt etwa 300.000 Euro.
November 2010
Die Zukunft des insolventen Jungen Theaters Göttingen ist gesichert. Am 17. November entschied die Gläubigerversammlung, den Betrieb bis zum 31. Dezember 2010 fortzusetzen und dafür die in Aussicht gestellten Zuschüsse der Stadt Göttingen ausschließlich für den Theaterbetrieb aufzuwenden. Vom neuen Jahr an soll eine neue Gesellschaft den Theaterbetrieb fortführen.
Dazu soll laut Gläubigerbeschluss das Vermögen des Jungen Theaters auf die in Gründung befindliche Unternehmergesellschaft (UG) Neues Junges Theater Göttingen übergehen. Bei der Gesellschaftsform UG handelt es sich um eine seit 2008 im Gesellschaftsrecht ermöglichte so genannte Mini-GmbH, also eine abgewandelte Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren haftendes Kapital anders als bei der normalen GmbH nicht 25 000, sondern lediglich einen Euro beträgt. Noch ist die neue UG im Handelsregister nicht eingetragen. Die Gründung wird jedoch laut Auskunft eines Amtsgerichtssprechers vom Förderverein betrieben.
Insolvenzverwalter Burkhard Wegener berichtete gestern in der nichtöffentlichen Gläubigerversammlung darüber, welche Schwierigkeiten die Komplettierung der seit Jahren unvollständigen Buchführung bereitet. Die Nachbuchungen für die Jahre 2009 und 2010 seien inzwischen erledigt; die Jahre 2007 und 2008 müssten aber noch vervollständigt werden. Wegen des Fehlverhaltens der Buchhalterin habe er sich entschlossen, eine Schadensersatzforderung gegen sie geltend zu machen. Geprüft werde noch, ob auch gegen Geschäftsführer Andreas Döring und die Aufsichtsratsmitglieder wegen Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht Schadensersatz geltend gemacht werde. Das Amtsgericht beziffert die Zahl der Gläubiger des JT auf 60, die Summe ihrer Forderungen belaufe sich auf rund 3,4 Millionen Euro.
Gestern Abend wurde auch der Kulturausschuss des Rates der Stadt Göttingen über die neuen Entwicklungen informiert. Elke Bartussek, Vorsitzende des Fördervereins des Jungen Theaters, sagte, dass die Anmeldung der neuen UG vorgestern erfolgt sei. Nächster Schritt sei es nun, bei der Stadt einen neuen Zuwendungsvertrag zu beantragen. Wichtig sei in Zukunft vor allem, Geschäftsführung und Intendanz strikt zu trennen und den Aufsichtsrat „noch mehr in die Pflicht“ zu nehmen. Zudem müsse es mehr „kaufmännischen Sachverstand“ im Aufsichtsrat geben. Daher werde der Förderverein, der zwei Mitglieder des neuen Aufsichtsrats stellt, einen Wirtschaftsprüfer in das Gremium entsenden. Hinzu kommen drei Mitglieder der Stadt, eines vom Landkreis und eines vom Betriebsrat. Der Jahresabschluss müsse ferner einem externen Wirtschaftsprüfer vorgelegt werden, sagte Bartussek.
Über den Zuwendungsvertrag mit der neuen UG müsse der Rat nun entscheiden, sagte Kulturdezernentin Dagmar Schlapeit-Beck. Er werde voraussichtlich vorerst für ein Jahr abgeschlossen. Ende 2011 müsse man dann erneut verhandeln.
- Quelle: Homepage des Göttinger Tageblatts, Artikel vom 18. November 2010, Zugriff am 10. Dezember 2010
Dezember 2010
Mit einer deutlichen Steigerung der Besucherzahlen für die Monate September bis Dezember rechnet das Junge Theater (JT) in diesem Jahr. Gemeinsam mit Insolvenzverwalter Burghard Wegener hat JT-Intendant Andreas Döring Zahlen vorgelegt.
Danach haben seit dem 2. September 16 300 Zuschauer Produktionen des JT besucht, inklusive der Gastspiele. Döring und Wegener rechnen anhand des derzeitigen Reservierungsstandes bis zum Ende des Jahres mit rund 20 000 Besuchern. Im gleichen Zeitraum seien es im vergangenen Jahr nur 12 700 gewesen. Diese Steigerung sei nur wegen der Fülle an Gastspielen möglich gewesen. Die im September und Oktober erzielten Zahlen, so Wegener, hätten die anfänglichen Planungen für diesen Zeitraum übertroffen. Er hält aufgrund einer von Döring vorgelegten „nachvollziehbaren und realistischen“ Ertragsplanung für 2011 die Fortführung des Theaters für möglich.
Das Thema JT steht heute auf der Tagesordnung des Rates der Stadt Göttingen. Es geht auch um einen neuen Zuwendungsvertrag für die „Neues Junges Theater UG“. Danach ist für 2011 eine städtische Förderung in Höhe von rund 703 000 Euro vorgesehen. Die Sitzung beginnt um 16 Uhr im Ratssaal des Neuen Rathauses, Hiroshimaplatz 1-4.
- Quelle: Homepage des Göttinger Tageblatts, Artikel vom 9. Dezember 2010, Zugriff am 10. Dezember 2010