Measurement Valley

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Measurement Valley ist ein 1998 gegründeter regionaler Wirtschaftsverband für die Region Göttingen.


Vereinigte Kompetenz in Messtechnik

Göttingen ist Heimat namhafter Messtechnikunternehmen. Ihre hohe Dichte gilt als weltweit einmalig und liegt in der historischen Verbindung von Universität und forschungsnahen Betrieben begründet: Seit der Zeit von Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855) werden Unternehmen für Messtechnik im Umfeld der Georg-August-Universität Göttingen gegründet. Hier hergestellte Produkte markieren in vielen Bereichen die Spitze des technischen Fortschritts. Das Leistungsspektrum der Messtechnikunternehmen aus Göttingen umfasst heute nahezu alle Anwendungsbereiche: Es reicht von der aufwendigsten Lasertechnologie bis hin zur klassischen Längen- und Durchflussmessung.

In Göttingen werden Schichtdicken bestimmt, Klimadaten erfasst, optische Mikroskopsysteme und Systeme zur Bildverarbeitung entwickelt. Die Göttinger Messtechnikunternehmen sind sich ihrer Chancen bewusst, die sich aus den aus der Historie gewachsenen Standortvorteilen ergeben. Sie haben im Juni 1998 den regionalen Wirtschaftsverband Measurement Valley gegründet, um ihre Kompetenz zu bündeln und ihre Leistungen noch besser zu vermarkten. Durch den Zusammenschluss und eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Technik, Einkauf, Marketing und Ausbildung können die Mitgliedsunternehmen vorhandene Synergien besser nutzen und sich Wettbewerbsvorteile durch lokale Kooperation verschaffen.

Der Wirtschaftsverband Measurement Valley organisiert die gemeinsamen Interessen von 45 Unternehmen (Stand 2021) und Institutionen aus dem Bereich Messtechnik im Raum Göttingen. Die Etablierung der Dachmarke „Measurement Valley“ mit inhaltlicher Nähe zum Wissenschaftsstandort Göttingen ist eine weitere Zielsetzung der überwiegend mittelständisch strukturierten Unternehmen mit mehr als 8.500 Mitarbeitern

Alle beteiligten Unternehmen sind freiwillige Mitglieder und finanzieren eine eigene Geschäftsstelle. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Idee „Measurement Valley“ ist der Umstand, dass die Verbandsunternehmen sich in Ihrem Leistungsangebot ergänzen und kaum im direkten Wettbewerb zueinander stehen.


Weltweites Zentrum der Messtechnik

Seit der Gründung der Universität im Jahre 1737 ist Göttingen vor allen Dingen als Stadt der Forschung und Lehre weltbekannt geworden: An der renommierten Georg-August-Universität Göttingen arbeiteten und arbeiten bis zum heutigen Tag namhafte Wissenschaftler von Weltruf, darunter zahlreiche Nobelpreisträger. Daneben befinden sich in Göttingen fünf Institute der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Deutsche Primatenzentrum, das Institut für Bioanalytik, das Laser Laboratorium, das Zentrum für Funktionswerkstoffe, die Akademie der Wissenschaften sowie die HAWK FH Hildesheim / Holzminden / Göttingen mit den Fakultäten Naturwissenschaft und Technik und Ressourcenmanagement.

Nur wenigen "Insidern" ist bekannt, dass die charmante, junge und lebendige Großstadt im Herzen Deutschlands auch in der Messtechnik eines der führenden Innovationszentren auf der Welt ist, vergleichbar z. B. mit dem Silicon Valley in Kalifornien:

Wesentliche Grundlagen der Messtechnik sind bereits im vergangenen Jahrhundert von namhaften Wissenschaftlern der Göttinger Universität entwickelt worden, u. a. von Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855), unterstützt durch zahlreiche, damals neu gegründete Werkstätten für Laborausrüstungen und Messgeräte. Heute beschäftigen sich mehr als drei Dutzend Firmen mit einem Jahresumsatz zwischen einer und fast 250 Mio. Euro auf höchstem Niveau mit Fertigungs- und Labormesstechnik unterschiedlichster Ausprägung. Mehrere Tausend Arbeitsplätze hängen in der Region direkt oder indirekt von der Messtechnik ab. In Göttingen hergestellte Produkte markieren in vielen Bereichen die Spitze des technischen Fortschritts. Die Präzision der Messtechnik aus Göttingen ist wegweisend für die Weiterentwicklung von Forschungs- und Produktionstechnologien weltweit.

Viele dieser Firmen sind aus dem unmittelbaren Umfeld der renommierten Georg-August-Universität Göttingen entstanden und arbeiten mit ihr und mit den anderen Forschungsstätten in einem engen Technologie-Verbund zusammen. Dabei bedienen sie die unterschiedlichsten Branchen und sind unabhängig von ihrer Größe fast durchweg exportorientiert. Gemeinsam ist allen Firmen aus dem "Measurement Valley" Göttingen außerdem die bedingungslose Ausrichtung auf Qualität und Innovation: Z. B. haben Oberflächenmessgeräte "Perthometer" aus Göttingen eine kleinste Messwertauflösung von 0,8 nm - das entspricht etwa acht Atomdurchmessern - Laborwaagen aus Göttingen können noch den Punkt einer Schreibmaschine auf dem Papier messen.

Diese konzentrierte Anhäufung von wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Kompetenz auf engstem Raum im Measurement Valley Göttingen führt zu einem kreativen Klima der Innovationen, wie es in der Messtechnik weltweit ohne Beispiel ist.

Gauß-Weber-Telegraf

Vom Dach der Volksbank, Kurze-Geismar-Straße, aus sendet die von Measurement-Valley-Mitgliedern entwickelte Laserversion des Gauß-Weber-Telegrafen jeden Abend Botschaften in den Göttinger Nachthimmel. Mehr dazu lesen Sie im einen Artikel aus dem Göttinger Tageblatt vom 21. November: Datei:Measurement Valley.pdf

Der Telegraf sendet jeden Abend nach Sonnenuntergang für zwei Stunden codierte Botschaften.

Die Übertragung der Nachricht beginnt mit einer Startsequenz, bestehend aus abwechselnd langen und kurzen Pulsen. Zur Entschlüsselung benötigen Sie den von Gauß und Weber entwickelte Code: + steht für kurze und – für lange Lichtpulse.

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Vereinigung Göttinger Werke

Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich die bedeutendsten Göttinger Betriebe der feinmechanischen und optischen Industrie in einer hochmodernen Organisationsform zusammen geschlossen. Sie gründeten 1921 die Vereinigung Göttinger Werke.

In einigen Häusern an der Hospitalstraße und der Kurzen Straße befanden sich die Verwaltungs- und Werkstatträume der VGW, in der die bedeutendsten Göttinger Betriebe aus dem Bereich der Feinmechanik und der Mess- und Regeltechnik zusammengeschlossen waren. Nachdem hier zunächst der Zweckverband Überlandwerk Edertalsperre Cassel residiert hatte, erwarb die VGW das Grundstück Hospitalstraße 3a und b und Kurze Straße 17 (nach damaliger Nummerierung) im Jahr 1921, um eigene Geschäftsräume für die Anfang des Jahres gegründete GmbH zur Verfügung zu haben.

Als ein Vorteil des Standortes wurde die Lage direkt gegenüber dem (1977 abgerissenen) Chemischen Institut der Universität angesehen, durch die viele potentielle Kunden auf den Betrieb aufmerksam werden mussten. Die Firmeninschrift ist heute noch am Haus in der Hospitalstraße sichtbar und wurde 2018 restauriert.
Gründung und Existenz der VGW bedeuteten eine bemerkenswert konsequente Fortführung der zu diesem Zeitpunkt knapp zweihundertjährigen Entwicklung der feinmechanischen und optischen Industrie in Göttingen. Diese für die Stadt äußerst wichtigen Branchen waren lange Zeit unauflöslich mit der Göttinger Universität und ihren naturwissenschaftlichen Disziplinen verbunden gewesen und hatten in den 1830er Jahren unter dem Einfluss von Gauß und Weber eine weltweit führende Position eingenommen.
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Mechaniker als Künstler

Gleichwohl verstanden sich die Göttinger Mechaniker zu dieser Zeit noch als universelle Künstler und nicht als Geschäftsleute oder Industrielle. Eine Spezialisierung auf bestimmte Sachgebiete oder Produktionsschwerpunkte war ihnen ganz fremd. Die allgemein mit dem Prozess der Industrialisierung verbundenen Entwicklungen wie Individualisierung der Arbeitsmethoden, Spezialisierung in Produktion und Verkauf, Arbeit an Spezialmaschinen anstatt Handarbeit (in diesem Fall an der bis dahin universell eingesetzten Drehbank) und Massenherstellung setzten sich in den Göttinger Betrieben erst nach der Reichsgründung 1871 durch. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erlangte die Branche Weltgeltung und die Göttinger Produkte wurden in etliche Länder exportiert.

Überraschend früh folgte diesem Prozess der Auffächerung und Expansion die Einsicht in die Möglichkeiten, die ein gemeinsamer Auftritt und lokaler Zusammenschluss – bei Aufrechterhaltung der Autonomie der beteiligten Betriebe – bieten könnte. Bereits vor der Jahrhundertwende veranlassten die „vereinigten Mechaniker Göttingens“ auf Anregung des Universitätsprofessors und Physikers Walther Nernst die Erstellung einer Denkschrift über die Geschichte und Gegenwart ihrer Branche, mit der sie auf der Pariser Weltausstellung (heute als „Expo“ bekannt) 1900 für sich und ihre Produkte werben wollten. Das im Jahr 1900 unter dem Titel Die mechanischen Werkstätten der Stadt Göttingen, ihre Geschichte und ihre gegenwärtige Einrichtung erschienene und von dem Professor am Königlichen Gymnasium zu Göttingen Otto Behrendsen verfasste Buch stellte die historischen Wurzeln der Göttinger Feinmechanik dar und bot den beteiligten Firmen im zweiten Teil die Gelegenheit, ihre Produktpalette ausführlich in Wort und Bild vorzustellen.

Gründer der VGW

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der hier beschrittene Weg mit der Gründung der VGW deutlich ausgebaut. Am Abend des 21. Januar 1921 traf sich im Göttinger Ratskeller alles, was in der Branche Rang und Namen hatte, zur Gründungsversammlung der VGW. Elf Firmen, unter ihnen die Betriebe Ruhstrat, Lambrecht, Sartorius, Spindler & Hoyer (heute LINOS) und Winkel (heute Carl Zeiss) und 13 Privatpersonen (in aller Regel Eigentümer der beteiligten Firmen) brachten zusammen 150.000 Mark zur Gründung der GmbH auf.
Als Geschäftsführer wurde Dr. Erich Löwenstein eingesetzt, der zusammen mit Wilhelm Sartorius, Adolf Hoyer und dem Färbereibesitzer Leonhard Schacke zugleich den Aufsichtsrat bildete. Zweck der Gründung war nicht nur die „gemeinsame gegenseitige Unterstützung der Gesellschafter untereinander zur Vergrößerung des Absatzgebietes und des Umsatzes“, wie es unter Punkt 3 der an diesem Abend verabschiedeten Satzung heißt, sondern das Unternehmen verfolgte einen sehr weitgehenden Ansatz der Kooperation: Neben dem Aufbau einer Vertriebsstruktur für die Produkte der beteiligten Betriebe ging es um Marktaktivitäten wie die Errichtung von Zweigniederlassungen, die Einfädelung von Unternehmensbeteiligungen und -übernahmen und den Erwerb und die Nutzung von Patenten sowie den günstigen Einkauf von Betriebsmitteln. Darüber hinaus war es ein Ziel der VGW, die Produktionsseite positiv zu beeinflussen und eine gemeinsame Herstellung branchentypischer Produkte zu betreiben. Der Zusammenschluss sollte zudem die Akquisition und gemeinsame Erledigung größerer, geschlossener Aufträge für die Einrichtung kompletter Laboratorien, Institute etc. ermöglichen. Nicht zuletzt diente die VGW der gemeinsamen Darstellung auf Messen und allgemein einer schlagkräftigen Repräsentation der Göttinger Feinmechanik.

Bereits zwei Monate nach Gründung der VGW gelang es, die Berliner Vereinigten Fabriken für Laboratoriumsbedarf GmbH an der Gesellschaft zu beteiligen. Der Berliner Betrieb löste umgehend seine mechanischen Werkstätten, die Tischlerei und die Klempnerei auf und übertrug sämtliche Arbeiten aus diesen Bereichen den Vereinigten Werkstätten.

Teilnahme an der Leipziger Frührjahrsmesse

Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1921 präsentierte die VGW einen eigenen Prospekt, in dem sämtliche Mitgliedsfirmen mit ihren Haupterzeugnissen vertreten waren. Nicht ohne Stolz zitierte der Geschäftsführer Dr. Löwenstein auf der Gesellschafterversammlung vom 21.3.1921 aus der Central-Zeitung für Optik und Mechanik vom Vortag. Im Bericht des Fachblattes über die beiden einschlägigen Abteilungen der Leipziger Messe, die Technische Messe auf dem Leipziger Ausstellungsgelände und die Vereinigte Kino-, Photo- und optische Messe in der Turnhalle Frankfurter Tor hieß es:
„Namentlich hatte die Verkaufsvereinigung der Göttinger Werkstätten für Feinmechanik, Optik und Elektrotechnik an beiden Stellen ausgestellt, wohin sich unaufhörlich wahre Völkerwanderungen ergossen. Die Leistungen, welche hier auf dem Gebiete der Feinmechanik und Optik von zahlreichen Firmen in unzähligen Instrumenten, Geräten und Apparaten gezeigt wurden, fanden die grösste Anerkennung aller sachverständigen Besucher, namentlich der ausländischen, welche auch hier vornehmlich als Käufer auftraten. Verschiedentlich wurden Bestellungen für ausländische, wissenschaftliche Institute aufgegeben.“
Mit dem Erwerb des Grundstücks in der Hospitalstraße ein knappes halbes Jahr später schufen die beteiligten Firmen auch die räumlichen Voraussetzungen für einen weiteren erfolgreichen Geschäftsgang der VGW.

Liquidation

Im Jahr 1925 wurde der Betrieb in Vereinigung Göttinger Werke umbenannt. Es waren allem Anschein nach Differenzen zwischen einigen beteiligten Firmen bzw. Firmeninhabern, die ab 1934 die Existenz der VGW gefährdeten. Im Aufsichtsrat wurde das Fortbestehen mehrfach zur Disposition gestellt. Mit dem Verweis auf die entscheidende Rolle der VGW als „Bindeglied zwischen den Instituten der Göttinger Universität einerseits und der feinmechanischen Industrie andererseits“ gelang es dem Geschäftsführer der VGW Dr. Erich Löwenstein schließlich, die Diskussionen zu beenden. Er argumentierte mit dem gewachsenen, engen Verhältnis zwischen der lokalen Messtechnikindustrie und der Universität und betonte dessen existentielle Bedeutung für die Wirtschaft: „Durch dieses Zusammenarbeiten sei die Göttinger Industrie hochgekommen. Fast sämtliche Göttinger Dozenten wenden sich an die VGW bei Erteilung von Auskünften und Aufträgen.“

Im November 1935 schied der jüdische Geschäftsführer Dr. Löwenstein unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen aus seinem Amt und emigrierte nach New York. Sein Amtsnachfolger Ruppel wurde gleichzeitig Direktor der an der VGW beteiligten Firma Phywe, was dem Geist der Gründungskonstruktion zuwider lief und zu Komplikationen führte. Als am 3.10.1937 die treibende Kraft der Firma, der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende der Vereinigung und Direktor der Sartoriuswerke Wilhelm Sartorius, starb, wurde die Krise existentiell. Anfang 1938 ging die Gesellschaft in die Liquidation, die wohl 1940 abgeschlossen war.

Links

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Messtechnikmeile Stadtrundgang zur Geschichte der Messtechnik in Göttingen